ACTE 1
Scène 1 - Scène 2
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Scène 5 - Scène 6
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- Scène 11 - Scène 12
Scène 13
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Acte 1 - Scène
1
JAQUINO
Jetzt, SchŠtzchen,
jetzt sind wir allein,
Wir kšnnen vertraulich
nun plaudern.
MARZELLINE
Es wird ja nichts Wichtiges sein,
ich darf bei der Arbeit
nicht zaudern.
JAQUINO
Ein Wšrtchen, du Trotzige, du!
MARZELLINE
So sprich nur, ich hšre ja zu.
JAQUINO
Wenn du mir nicht
freundlicher« blickest,
so bring« ich kein Wšrtchen hervor.
MARZELLINE
Wenn du dich nicht
in mich schickest,
verstopf ich mir vollends das Ohr.
JAQUINO
Ein Weilchen nur hšre mir zu,
dann lass« ich dich
wieder in Ruh«.
MARZELLINE
So hab« ich denn nimmer mehr Ruh«;
so rede, so rede nur zu!
JAQUINO
Ich... ich habe...
Ich habe zum Weib dich gewŠhlet,
verstehst du?
MARZELLINE
Das ist ja doch klar!
JAQUINO
Und... und, wenn mir dein
Jawort nicht fehlet,
was meinst du?
MARZELLINE
So sind wir ein Paar.
JAQUINO
Wir kšnnten in wenigen Wochen.
MARZELLINE
Recht schšn, du bestimmst
schon die Zeit.
JAQUINO
Zum Henker, das ewige Pochen,
da war ich so herrlich im Gang,
und immer,
immer entwischt mir der Fang !
MARZELLINE
So bin ich doch endlich befreit!
Wie macht seine Liebe mir bang,
es werden die Stunden mir lang.
Ich wei§, da§ der Arme sich quŠlet,
es tut mir so leid auch um ihn!
Fidelio hab' ich gewŠhlet,
ihn lieben ist s٤er Gewinn.
JAQUINO
Wo war ich?
Sie sieht mich nicht an!
MARZELLINE
Da ist er,
er fŠngt wieder an!
JAQUINO
Wann wirst du das Jawort mir geben?
Es kšnnte ja heute ja heute noch sein.
MARZELLINE
O weh !
Er verbittert mein Leben !
Jetzt, morgen und immer,
und immer, nein!
Ich mu§ ja so hart mit ihm sein!
JAQUINO
Du bist doch wahrhaftig von Stein,
kein WŸnschen, kein Bitten,
geht ein.
MARZELLINE
Ich mu§ ja so hart mit ihm sein,
er hofft bei dem mindesten Schein.
JAQUINO
So wirst du dich nimmer,
nimmer bekehren?
Was meinst du?
MARZELLINE
Du kšnntest nun geh'n!
JAQUINO
Wie?
Dich anzusehn'n willst du mir wehren?
Auch das noch?
MARZELLINE
So bleibe hier stehh'n!
JAQUINO
Du hast mir
so oft doch versprochen.
MARZELLINE
Versprochen?
Nein, das geht zu weit!
JAQUINO
Zum Henker das ewige Poche,
zum Henker!
MARZELLINE
So bin ich doch, endlich befreit!
Das ist ein willkommener Klang,
es wurde zu Tode mir bang.
JAQUINO
Es ward ihr im Ernste schon bang;
wer wei§, ob es mir nicht gelang.
Wenn ich diese TŸr heute
nicht schon zweihundertmal
aufgemacht habe, so will ich
nicht Jaquino hei§en.
Zum Wetter, schon wieder!
MARZELLINE
Was kann ich dafŸr,
da§ ich ihn nicht mehr so gern
wie sonst haben kann?
JAQUINO
So. Nun hoffe ich,
soll niemand uns stšren.
ROCCO
Jaquino, Jaquino!
MARZELLINE
Hšrst du, der Vater ruft!
JAQUINO
Lassen wir ihn ein wenig warten.
Also,
auf unsere Liebe zu kommen...
MARZELLINE
So geh doch,
der Vater wird sich nach Fidelio
erkundigen wollen.
JAQUINO
Ei freilich da kann man
nicht schnell genug sein.
ROCCO
Jaquino, hšrst du nicht?
JAQUINO
Ich komme schon!
Bleib fein hier, in zwei Minuten
sind wir wieder beisammen.
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Acte 1 - Scène
2
MARZELLINE
Der arme Jaquino dauert
mich beinahe,
kann ich aber Šndern?
Ich war ihm sonst recht gut,
da kam Fidelio in unser Haus,
und seit der Zeit ist alles
in mir und um mich verŠndert.
Ach!
Aus dem Mitleiden,
Das ich mit Jaquino habe,
merke ich erst,
wie sehr gut ich Fidelio bin.
Ich glaube auch, da§
Fidelio mir recht gut ist,
und wenn ich die Gesinnungendes
Vaters w٤te,
so kšnnte bald mein GlŸck
vollkommen werden.
O wŠr' ich schon mit dir vereint,
und dŸrfte Mann dich nennen !
Ein MŠdchen darf ja,
was es meint,
zur HŠlfte nur bekennen !
Doch wenn ich nicht erršten
mu§ ob einem warmen Herzensku§,
wenn nichts uns stšrt auf Erden.
Die Hoffnung schon erfŸllt die Brust
mit unaussprechlich s٤er Lust;
wie glŸcklich will ich werden!
In Ruhe stiller HŠuslichkeit
erwach' ich jeden Morgen,
wir grŸ§en uns mit ZŠrtlichkeit,
Der Flei§ verscheucht die Sorgen.
Und ist die Arbeit abgetan,
dann schleicht
die holde Nacht heran,
dann ruh'n wir von Beschwerden.
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Acte 1 - Scène
3
ROCCO
Guten Tag, Marzelline!
Ist Fidelio noch
nicht zurŸck gekommen?
MARZELLINE
Nein, Vater!
ROCCO
Die Stunde naht,
Wo ich dem Gouverneur
die Briefschaften bringen mu§,
abholen sollte,
ihn mit Ungeduld.
LEONORE
Jaquino! Jaquino!
JAQUINO
Ich komme schon, ich komme schon!
MARZELLINE
Er wird gewi§ so lange bei
dem Schmied haben warten mŸssen.
Da ist er, da ist er!
Wie er belastet ist!
Lieber Gott, der Schwei§
lŠuf ihm von der Stirn.
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Acte 1 - Scène
4
ROCCO
Warte, warte!
JAQUINO
Es war auch der MŸhe wert,
so schnell aufzumachen,
um den Patron da herein zulassen.
ROCCO
Armer Fidelio,
diesmal hast
du zu viel dir aufgeladen!
LEONORE
Ich mu§ gestehen,
ich bin ein wenig ermŸdet!
Der Schmied hatte auch an
den Ketten so lange auszubessern,
da§ ich glaubte,
er wŸrde nichtdamit fertig werden.
ROCCO
Sind sie jetzt gut gemacht?
LEONORE
Gewi§,
recht gut und stark.
Keiner der Gefangenen wird
sie zerbrechen.
ROCCO
Wieviel kostet alles zusammen?
LEONORE
Zwšlf Piaster ungefŠhr.
Hier ist die genaue Rechnung
ROCCO
Gut, brav ! Zum Wetter,
da gibt es Artikel,
auf die wir wenigstens das Doppelte,
gewinnen kšnnen!
Du bist ein kluger Junge!
Ich kann gar nicht begreifen,
wie du deine Rechnungen machst.
Du kaufst alles wohlfeiler als ich.
In den sechs Monaten,
seit ich dir die Anschaffung
von Lebensmitteln Ÿbertragen habe,
hast du mehr gewonnen,
als ich vorher in einem ganzen Jahre.
Der Schelm gibt sich
alle diese MŸhe,
offenbar meiner Marzelline wegen.
LEONORE
Ich suche zu tun,
was mir mšglich ist.
ROCCO
Ja, ja, du bist brav;
man kann nicht eifriger,
nicht verstŠndiger sein!
Ich habe dich auch mit
jedem Tage lieber,
und, sei versichert,
dein Lohn soll nicht ausbleiben.
LEONORE
O glaubt nicht, da§ ich
meine Schuldigkeit nur
des Lohnes wegen...
ROCCO
Still !
Meinst du, ich kann dir
nicht ins Herz sehen?
MARZELLINE
Mir ist so wunderbar,
es engt das Herz mir ein;
er liebt mich, es ist klar,
ich werde glŸcklich, glŸcklich sein.
LEONORE
Wie gro§ ist die Gefahr!
wie schwach der Hoffnung Schein!
sie liebt mich, es ist klar,
o namenloser Pein!
ROCCO
Sie liebt ihn, es ist klar,
ja, MŠdchen, er wird dein,
ein gutes, junges Paar,
sie werden glŸcklich sein.
JAQUINO
Mir strŠubt sich schon das Haar,
der Vater willigt ein,
mir wird so wunderbar,
mir fŠllt kein Mittel ein.
ROCCO
Hšre, Fidelio,
wenn ich auch nicht wei§,
wie und wo auf die Welt
gekommen bist,
und wenn du auch gar
keinen Vater gehabt hŠttest,
so wei§ ich doch,
was ich tue, ich, ich mache dich
zu meinem Tochtermann
MARZELLINE
Wirst du es bald tun, lieber Vater?
ROCCO
Ei, ei, wie eilfertig !
So bald der Gouverneur nach
Sevilla gereist sein wird,
dann haben wir mehr Mu§e.
Ihr wi§t ja,
da§ er alle Monate hingeht,
um Ÿber alles, was hier in dem
StaatsgefŠngnis vorgeht,
Rechenschaft zu geben.
In wenigen Tagen mu§ er wieder fort,
und den Tag nach seiner Abreise
geb' ich euch zusammen.
Darauf kšnnt ihr rechnen.
MARZELLINE
Den Tag nach seiner Abreise!
Das machst du recht vernŸnftig,
lieber Vater!
LEONORE
Den Tag nach seiner Abreise?
O' welche neue Verlegenheit !
ROCCO
Nun, meine Kinder,
ihr habt euch doch recht
herzlich lieb, nicht wahr?
Aber das ist noch nicht alles,
was zu einer guten,
vergnŸgten Haushaltung gehšrt,
man braucht auch
Hat man nicht auch Gold beineben,
kann man nicht ganz glŸcklich sein;
traurig schleppt
sich fort das Leben,
mancher Kummer stellt sich ein.
Doch wenn's in den Taschen
klingelt und rollt,
da hŠlt man das Schicksal gefangen,
und Macht und Liebe verschafft
das Gold und stillet das
kŸhnste Verlangen.
Das GlŸck dient wie ein
Knecht fŸr Sold,
es ist ein schšnes, schšnes Ding,
das Gold, ein goldnes,
goldnes Ding, das Gold,
das Gold.
Wenn sich Nichts mit
Nichts verbindet,
ist und bleibt die Summe klein,
wer bei Tisch nur Liebe findet,
wird nach Tische hungrig sein.
Drum lŠchle der Zufall euch
gnŠdig und hold und segne
und lenk' euer Streben,
das Liebchen im Arme,
im Beutel das Gold,
so mšgt ihr viel Jahre durchleben.
LEONORE
Ihr kšnnt das leicht sagen,
Meister Rocco, aber ich,
ich behaupte,
da§ die Vereinigung zweier
gleichgestimmten Herzen
die Quelle des wahren
ehelichen GlŸckes ist.
O dieses GlŸck mu§ der
grš§te Schatz auf Erden sein !
Freilich gibt es noch etwas,
was mir nicht weniger
kostbar sein wŸrde,
aber mit Kummer sehe ich,
da§ ich es trotz aller meiner
BemŸhungen nicht erhalten werde.
ROCCO
Und was wŠre denn das?
LEONORE
Euer Vertrauen. Verzeiht mir
diesen kleinen Vorwurf,
aber oft sehe ich euch aus den
unterirdischen Gewšlben
des Schlosses ganz au§er
Atem und ermattet zurŸckkommen,
warum erlaubt Ihr mir nicht,
euch dahin zu begleiten?
Es wŠre mir sehr lieb,
wenn ich euch bei eurer
Arbeit helfen und eure
Beschwerden teilen kšnnte.
ROCCO
Du wei§t doch, da§ ich
den strengsten Befehl habe,
niemanden,
wer es auch sein mag,
zu den Staatsgefangenen zu lassen.
MARZELLINE
Es sind ihrer aber gar
so viele in dieser Festung.
Du arbeitest dich ja zu Tod,
lieber Vater.
LEONORE
Sie hat recht, Meister Rocco.
Man soll allerdings seine
Schuldigkeit tun.
Aber es ist doch auch erlaubt,
meine ich,
zuweilen daran zu denken,
wie man sich fŸr die,
die uns angehšren und lieben,
ein bi§chen schonen kann.
MARZELLINE
Man mu§ sich fŸr seine
Kinder zu erhalten suchen.
ROCCO
Ja, ihr habt recht, diese
schwere Arbeit wŸrde mir
doch endlich zu viel werden.
Der Gouverneur ist zwar sehr streng,
er mu§ mir aber doch erlauben,
dich in die Gouverneur,
geheimen Kerker mit mir zu nehmen.
Unterdessen gibt es ein Gewšlbe,
in das ich dich wohl
nie werde fŸhren dŸrfen,
obschon ichmich ganz
auf dich verlassen kann.
MARZELLINE
Vermutlich, wo der Gefangene sitzt,
Von dem du schon einige
gesprochen hast, Vater ?
ROCCO
Du hast's erraten.
LEONORE
Ich glaube, es ist schon lange her,
da§ er gefangen ist?
ROCCO
Es ist schon Ÿber zwei Jahre.
LEONORE
Zwei Jahre, sagt Ihr?
Er mu§ ein gro§er
Verbrecher sein.
ROCCO
Oder er mu§ gro§e Feinde haben;
das kommt ungefŠhr auf eins heraus.
MARZELLINE
So hat man denn nie
erfahren kšnnen, woher er ist,
und wie er hei§t?
ROCCO
O wie oft hat er mit mir
von alledem reden wollen.
LEONORE
Nun?
ROCCO
FŸr unsereinen ist's am besten,
so wenig Geheimnisse
als mšglich zu wissen,
darum hab ich ihn auch nie angehšrt.
Ich hŠtte mich verplappern kšnnen,
und ihm hŠtt ich doch
nicht genŸtzt.
Nun, er wird mich nicht
lange mehr quŠlen.
Es kann nicht mehr
lange mit ihm dauern.
LEONORE
Gro§er Gott!
MARZELLINE
Lieber Himmel, wie hat
er denn eine so schwere
Strafe verdient?
ROCCO
Seit einem Monat schon
mu§ ich auf Pizarros Befehl
seine Portion kleiner machen.
Jetzt hat er binnen
vierundzwanzig Stunden
nicht mehr als zwei Unzen
schwarzes Brot und eine
Halbe Ma§ Wasser;
kein Licht mehr als den Schein
einer Lampe, kein Stroh mehr,
nichts!
MARZELLINE
O lieber Vater,
fŸhre Fidelio ja nicht zu ihm,
diesen Anblick kšnnt
er nicht ertragen.
LEONORE
Warum denn?
Ich habe Mut und StŠrke.
ROCCO
Brav, mein Sohn, brav!
Wenn ich dir erzŠhlen wollte,
wie ich anfangs in meinem
Stande mit mir zu kŠmpfen hŠtte!
Und ich war doch ein ganz anderer
Kerl als du mit deiner feinen Haut
und deinen weichen HŠnden.
Gut, Sšhnchen, gut,
hab immer Mut,
dann wird dir's auch gelingen,
das Herz wird hart durch Gegenwart
bei fŸrchterlichen Dingen.
LEONORE
Ich habe Mut!
Mit kaltem Blut, mit kaltem Blut
will ich hinab mich wagen;
fŸr hohen Lohn kann Liebe
schon auch hohe Leiden,
hohe Leiden tragen.
MARZELLINE
Dein gutes Herz wird manchen
Schmerz in diesen GrŸften leiden,
dann kehrt zurŸck der Liebe GlŸck
und unnennbare Freuden.
ROCCO
Du wirst dein GlŸck
ganz sicher bauen,
ja, ja, ja,
ihr werdet glŸcklich sein.
LEONORE
Ich hab' auf Gott und Recht
Vertrauen,
ja, ja, ja,
ich kann noch glŸcklich sein.
MARZELLINE
Du darfst mir auch ins Auge
schauen der Liebe Macht
ist auch nicht klein,
ja, ja, ja, wir werden glŸcklich sein.
ROCCO
Der Gouverneur,
der Gouverneur soll heut' erlauben,
da§ du mit mir die Arbeit teilst.
LEONORE
Du wirst mir alle Ruhe rauben,
wenn du bis morgen nur verweilst.
MARZELLINE
Ja, guter Vater,
bitt ihn heute,
in kurzem sind wir dann ein Paar.
ROCCO
Ich bin ja bald des Grabes Beute,
ich brauche Hilf,
es ist ja wahr.
LEONORE
Wie lang' bin ich des
Kummers Beute.
Du, Hoffnung,
reichst mir Labung dar.
MARZELLINE
Ach! lieber Vater,
was fŠllt Euch ein?
Lang' Freund und Rater
m٤t Ihr uns sein.
ROCCO
Nur auf der Hut, dann geht
es gut, gestillt,
gestillt wird euer Sehnen;
gebt euch die Hand
und schliesst das Band,
in sŸ§en FreudentrŠnen.
Ein schšnes Band,
mit Herz und Hand.
MARZELLINE
O habe Mut, o welche Glut,
O welch' ein tiefes Sehnen!
Ein festes Band mit
Herz und Hand,
O sŸ§e, sŸ§e TrŠnen.
LEONORE
Ihr seid so gut ihr macht mir Mut,
gestillt wird bald mein Sehnen.
Ich gab die Hand zum s٤en Band,
es kostet bittre TrŠnen.
ROCCO
Aber nun ist Zeit, da§
ich dem Gouverneur die
Briefschaften Ÿberbringe.
Ah ! Er kommt selbst hierher!
Gieb sie, Fidelio,
und dann entfernt euch!
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Acte 1 - Scène
5
PIZARRO
Drei Schildwachen auf denÁ
Wall, sechs Mann Tag und
Nacht auf der ZugbrŸcke,
ebenso viele gegen den Garten zu,
und jedermann, der sich dem Graben
der Festung nŠhert,
werde sogleich zu mir gebracht.
Ist etwas Neues vorgefallen?
ROCCO
Nein, Herr!
PIZARRO
Wo sind die Depeschen?
ROCCO
Hier sind sie.
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Acte 1 - Scène
6
PIZARRO
Immer Empfehlungen oder VorwŸrfe.
Wenn ich auf alles das achten wollte,
wŸrde ich nie damit
zu Ende kommen.
Mich dŸnkt, ich kenne diese
Schrift. La§ sehen.
"Ich gebe ihnen Nachricht,
da§ der Minister
in Erfahrung gebracht hat,
da§ die StaatsgefŠngnisse,
denen Sie vorstehen,
mehrere Opfer willkŸrlicher
Gewalt enthalten.
Er reist morgen ab,
um Sie mit einer Untersuchung
zu Ÿberraschen.
Seien Sie auf Ihrer Hut,
und suchen Sie
sich sicherzustellen."
Gott, wenn er entdeckte,
da§ ich diesen Florestan
in Ketten liegen habe,
den er lŠngst tot glaubt; ihn,
der so oft meine Rache reizte,
der mich vor dem Minister enthŸllen
und mir seine Gunst
entziehen wollte!
Doch, es gibt ein Mittel!
Eine kŸhne Tat kann
alle Besorgnisse zerstreuen!
Ha! Ha! Ha!
Welch ein Augenblick!
Die Rache werd' ich kŸhlen!
dich, dich rufet dein Geschick!
In seinem Herzen wŸhlen, o Wonne,
gro§es GlŸck!
Schon war ich, schon war ich nah',
im Staube,
dem lauten Spott zum Raube,
dahin, dahin, ja,
dahin gestreckt zu sein!
Nun ist es mir geworden,
den Mšrder selbst zu morden!
Ha! Ha! Ha!
In seiner letzten Stunde,
den Stahl in seiner Wunde,
ihm noch ins Ohr zu schrei'n.
Triumph! Triumph! Triumph!
der Sieg, der Sieg ist mein!
SOLDATEN
Er spricht von Tod und Wunde,
nun fort auf unsre Runde,
wie wichtig, wie wichtig
mu§ es sein, nun fort, nun fort,
wie wichtig mu§ es sein!
PIZARRO
Ich darf keinen Augenblick sŠumen,
alle Anstalten zu meinem
Vorhaben zu treffen.
Heute soll der Minister ankommen.
Nur die grš§te Vorsicht
und Eile kšnnen mich retten.
Hauptmann, hšren Sie!
Besteigen Sie mit einem
Trompeter sogleich den Turm.
Sehen Sie unablŠssig und
mit der grš§ten Achtsamkeit
auf die Stra§e von Sevilla.
Sobald Sie einen Wagen,
von Reitern begleitet,
diesem Schlo§ sich nŠhern sehen,
lassen Sie augenblicklich durch
den Trompeter ein Signal geben.
Verstehen Sie,
augenblicklich ein Signal!
Ich erwarte die grš§te
PŸnktlichkeit,
Sie haften mir mit Ihrem Kopf dafŸr.
Fort, auf eure Posten!
Rocco! Rocco!
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Acte 1 - Scène
7
ROCCO
Herr!
PIZARRO
Ich mu§ ihn zu gewinnen suchen.
Ohne seine Hilfe kann
ich es nicht ausfŸhren.
Komm nŠher! Jetzt, Alter,
Alter, jetzt hat es Eile!
dir wird ein GlŸck zu Teile,
du wirst ein reicher Mann;
das geb' ich nur daran.
ROCCO
So sagt doch nur in Eile,
womit ich dienen kann.
PIZARRO
Du bist von kaltem Blute,
von unverzagtem Mute
durch langen,
langen Dienst geworden.
ROCCO
Was soll ich?
Redet, redet! Wie!
PIZARRO
Morden!
ROCCO
Wie?
PIZARRO
Hšre mich nur an!
Du bebst? bist du ein Mann?
Wir dŸrfen gar nicht sŠumen,
dem Staate liegt
den bšsen Unterthan
schnell aus dem Weg zu
rŠumen. Du stehst noch an?
ROCCO
O Herr!
O Herr!
PIZARRO
Er darf nicht lŠnger leben,
sonst ist's um mich gescheh'n.
ROCCO
Die Glieder fŸhl' ich beben,
wie kšnnt' ich das besteh'n?
PIZARRO
Pizarro sollte beben?
Du fŠllst,
du fŠllst ich werde steh'n.
ROCCO
Ich nehm' ihm nicht das Leben,
mag was da will gescheh'n.
Nein, Herr, das Leben
nehmen das ist nicht meine Pflicht.
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Acte 1 - Scène
8
LEONORE
Abscheulicher! Wo eilst du hin?
Was hast du vor in wildem Grimme?
Des Mitleids Ruf, der Menschheit Stimme
rŸhrt nichts mehr deinen Tigersinn?
Doch toben auch wie Meereswogen
dir in der Seele Zorn und Wut,
so leuchtet mir ein Farbenbogen,
der hell auf dunkeln Wolken ruht:
der blickt so still, so friedlich nieder,
der spiegelt alte Zeiten wider,
und neu besŠnftigt wallt mein Blut.
Komm, Hoffnung, lass den letzten Stern
der MŸden nicht erbleichen!
O komm, erhell mein Ziel, sei's noch so fern,
die Liebe, sie wird's erreichen.
Ich folg' dem innern Triebe,
ich wanke nicht,
mich stŠrkt die Pflicht
der treuen Gattenliebe!
O du, fŸr den ich alles trug,
kšnnt' ich zur Stelle dringen,
wo Bosheit dich in Fesseln schlug,
und sŸssen Trost dir bringen!
Ich folg' dem innern Triebe,
ich wanke nicht,
mich stŠrkt die Pflicht
der treuen Gattenliebe!
MARZELLINE
Vater, es ist die Stunde,
in der die Gefangenen
an die frische Luft kommen dŸrfen.
ROCCO
Ohne Erlaubnis des Gouverneurs?
MARZELLINE
Aber er sprach so lange mit dir.
Vielleicht sollst du ihm
einen Gefallen tun,
und dann wird er es so genau
nicht nehmen.
ROCCO
Einen Gefallen?
Du hast recht, Marzelline.
Auf diese Gefahr hin
kann ich es wagen.
Wohl denn, Jaquino und Fidelio,
šffnet die leichteren GefŠngnisse.
Ich aber gehe zu Pizarro
und halte ihn zurŸck, indem ich
fŸr dein Bestes rede.
MARZELLINE
So recht, Vater!
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Acte 1 - Scène
9
GEFANGENEN
O, welche Lust!
in freier Luft den Atem
leicht zu heben, O, welche Lust!
nur hier, nur hier ist Leben,
der Kerker eine Gruft, eine Gruft!
ERSTER GEFANGENE
Wir wollen mit Vertrauen
auf Gottes HŸlfe,
auf Gottes HŸlfe bauen,
die Hoffnung flŸstert sanft mir zu,
wir werden frei, wir finden Ruh,
wir finden Ruh'.
GEFANGENEN
O Himmel Rettung,
welch ein GlŸck,
o Freiheit, o Freiheit,
kehrst du zurŸck?
ZWEITE GEFANGENE
Sprecht leise, haltet euch zurŸck,
wir sind belauscht mir
Ohr und Blick.
GEFANGENEN
Sprecht leise, haltet euch zurŸck,
wir sind belauscht mir
Ohr und Blick.
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Acte 1 - Scène
10
LEONORE
Nun sprecht, wie ging's?
ROCCO
Recht gut, recht gut !
Zusammen rafft' ich meinen Mut,
und trug ihm alles vor,
und sollst du's glauben,
was er zur Antwort mir gab?
Die Heirat, und da§ du mir hilfst,
will er erlauben,
noch heute fuhr
ich in den Kerker dich hinab.
LEONORE
Noch heute? noch heute?
O welch ein GlŸck!
o welche Wonne!
ROCCO
Ich sehe deine Freude;
nur noch ein Augenblick,
dann gehen wir schon Beide, ja,
dann gehen wir schon beide.
LEONORE
Wohin, wohin?
ROCCO
Zu jenem Mann hinab,
dem ich seit vielen Wochen
stets weniger zu essen gab.
LEONORE
Ha, wird er losgesprochen?
ROCCO
O nein!
LEONORE
So sprich, so sprich!
ROCCO
O nein, o nein!
O nein, o nein!
Wir mŸssen ihn, doch wie,
befrein, er mu§ in einer Stunde,
den Finger auf dem
Munde von uns sein.
LEONORE
So ist er todt?
ROCCO
Noch nicht, noch nicht!
LEONORE
Ist, ihn zu tšten,deine Pflicht,
ihn zu tšten, deine Pflicht?
ROCCO
Nein, guter Junge,
zittre nicht, zum Morden,
zum Morden dingt sich Rocco
nicht, nein, nein, nein,
nein, nein, nein!
Der Gouverneur,
der Gouverneur kommt selbst hinab,
wir beide graben nur das Grab.
LEONORE
Vielleicht das Grab des Gatten graben,
was kann fŸrchterlicher sein?
Was?
ROCCO
Ich darf ihn nicht mit Speise laben,
ihm wird im Grabe besser sein.
Wir mŸssen gleich zum
Werke schreiten, du mu§t helfen,
mich begleiten; hart,
hart ist des Kerkermeisters Brot.
LEONORE
Ich folge dir, wŠr's in den Tod!
ROCCO
In der zerfallenen Zisterne bereiten
wir die Grube leicht;
ich tu es, glaube mir, nicht gerne,
auch dir ist schaurig,
wie mich deucht?
LEONORE
Ich bin es nur noch nicht gewohnt.
ROCCO
Ich hŠtte gerne dich verschont,
doch wird mir allein zu schwer,
und gar so streng ist unser Herr.
LEONORE
O welch ein Schmerz!
ROCCO
Mir scheint, er weine.
Nein, nein, du bleibst hier,
ich geh' alleine, ich geh' allein,
du bleibst hier, nein,
du bleibst hier!
LEONORE
O nein, o nein, ich mu§ ihn seh'n,
den Armen sehen, und m٤t ich selbst
zugrunde gehen!
BEIDE
O sŠumen wir nun lŠnger nicht,
wir folgen unsrer strengen Pflicht.
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Acte 1 - Scène
11
MARZELLINE
Ach, Vater, Vater, eilt!
ROCCO
Was hast du denn?
JAQUINO
Nicht lŠnger weilt!
ROCCO
Was ist gescheh'n?
MARZELLINE
Voll Zorn folgt mir Pizarro nach,
er drohet, er drohet dir!
JAQUINO
Nich lŠnger weilt!
ROCCO
Gemach! gemach!
LEONORE
So eilet fort!
ROCCO
Nur noch dies Wort;
sprich, wei§ er schon?
JAQUINO
Ja, er wei§ es schon.
MARZELLINE
Der Offizier sagt ihm,
was wir jetzt den
Gefangenen gewŠhren.
ROCCO
La§t alle schnell zurŸck kehren!
MARZELLINE
Ihr wi§t ja, wie er tobet,
und kennet seine Wut.
LEONORE
Wie mir's im Innern tobet!
Empšret ist mein Blut!
ROCCO
Mein Herz hat mich gelobet,
sei der Tyrann in Wut!
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Acte 1 - Scène
12
PIZARRO
Verweg'ner Alter!
welche Rechte legst du dir
frevelnd selber bei?
und ziemt es dem gedung'nen Knechte,
zu geben die Gefang'nen frei?
ROCCO
O Herr! O Herr!
PIZARRO
Wohlan! Wohlan!
ROCCO
Des FrŸhlings Kommen,
das heitre, warme Sonnenlicht,
dann habt ihr wohl
in Acht genommen,
was sonst zu meinem
Vorteil spricht?
Des Kšnigs Namensfest ist heute,
das feiern wir auf solche Art.
Der unten stirbt,
doch la§t die andern jetzt
fršhlich hin und wieder wandern,
fŸr Jenen sei der Zorn gespart.
PIZARRO
So eile,
ihm sein Grab zu graben,
hier will ich stille Ruhe haben;
schliess die Gefangene wieder ein,
magst du nie mehr
verwegen sein!
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Acte 1 - Scène
13
GEFANGENEN
Leb wohl,
du warmes Sonnenlicht,
schnell schwindest
du uns wieder!
Schon sinkt
die Nacht hernieder,
aus der so bald
kein Morgen bricht.
MARZELLINE
Wie eilten sie zum Sonnenlicht,
und scheiden traurig wieder!
Die Andern,
die Andern murmeln,
nieder, hier wohnt die Lust,
die Freude nicht.
LEONORE
Ihr hšrt das Wort,
drum zšgert nicht,
kehrt in den Kerker wieder!
Angst rinnt durch meine Glieder,
ereilt den Frevler,
den Frevler kein Gericht.
JAQUINO
Ihr hšrt das Wort,
drum zšgert nicht,
kehrt in den Kerker wieder!
Sie sinnen auf und nieder,
kšnnt ich verstehn,
was jeder spricht!
PIZARRO
Nun Rocco, zšgre Rocco,
lŠnger nicht,
steig' in der Kerker nieder!
Nicht eher kehrst du wieder
bis ich vollzogen das Gericht.
ROCCO
Nein, Herr,
ich zšgre lŠnger nicht,
ich steige eilend nieder,
nein, Herr!
Mir beben meine Glieder,
O unglŸckselig harte Pflicht!
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ACTE 2
Scène 1 - Scène 2
Scène 3 - Scène 4
Scène 5 - Scène 6
Scène 7 - Scène 8
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Acte 2 - Scène
1
FLORESTAN
Gott,
welch Dunkel hier!
O grauenvolle Stille!
…d ist es um mich her,
nichts,
nichts lebet au§er mir,
o schwere PrŸfung!
Doch gerecht ist Gottes Wille!
Ich murre nicht, das Ma§
der Leiden steht bei dir!
In des Lebens FrŸhlingstagen
ist das GlŸck von mir geflohn.
Wahrheit wagt ich kŸhn zu sagen,
und die Ketten sind mein Lohn.
Willig duld' ich alle Schmerzen,
ende schmŠhlich meine Bahn;
s٤er, Trost in meinem Herzen,
meine Pflicht hab ich getan.
Und spŸr' ich nicht linde,
sanft sŠuselnde Luft,
und ist nicht mein Grab
mir erhellet?
Ich seh, wie ein Engel
im rosigen Duft sich
tršstend zur Seite,
zur Seite mir stellet,
ein Engel, Leonoren,
Leonoren, Leonoren,
der Gattin so gleich, der,
der fŸhrt mich zur Freiheit
ins himmlische Reich.
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Acte 2 - Scène
2
LEONORE
Wie kalt ist es in diesem
unterirdischen Gewšlbe!
ROCCO
Das ist natŸrlich,
es ist ja so tief!
LEONORE
Ich glaubte schon, wir wŸrden
den Eingang gar nicht finden.
ROCCO
Da ist er.
LEONORE
Er scheint ganz ohne Bewegung.
ROCCO
Vielleicht ist er tot.
LEONORE
Ihr meint es ?
ROCCO
Nein, nein, er schlaft.
Das mŸssen wir benutzen,
und gleich ans Werk gehen,
wir haben keine Zeit zu verlieren.
LEONORE
Es ist unmšglich,
seine ZŸge zu unterscheiden.
Gott steh mir bei, wenn er es ist!
ROCCO
Hier unter diesen TrŸmmern
ist die Zisterne,
von der ich gesagt habe.
Wir brauchen nicht viel zu graben,
um an die …ffnung zu kommen,
gib mir eine Haue,
und du stelle dich hierher!
Du zitterst, fŸrchtest du dich?
LEONORE
O nein, es ist nur so kalt.
ROCCO
So mache fort, im Arbeiten
wird dir schon warm werden.
ROCCO
Nur hurtig fort,
nur frisch gegraben, es wŠhrt
nicht lang er kommt herein.
LEONORE
Ihr sollt ja nicht zu klagen haben,
ihr sollt gewi§ zufrieden sein.
ROCCO
Komm, hilf, komm hilf
doch diesen Stein mit heben,
hab acht, hab acht, er hat Gewicht!
LEONORE
Ich helfe schon,
sorgt euch nicht,
ich will mir alle MŸhe geben.
ROCCO
Ein wenig noch!
LEONORE
Geduld!
ROCCO
Er weicht!
LEONORE
Nur etwas noch!
ROCCO
Es ist nicht leicht!
ROCCO
Nur hurtig fort,
nur frisch gegraben, es wŠhrt
nicht lang er kommt herein.
LEONORE
La§t mich nur wieder KrŠfte haben,
wir werden bald zu Ende sein.
Wer du auch seist,
ich will dich retten,
bei Gott, bei Gott,
du sollst kein Opfer sein,
gewi§, gewi§,
ich lšse deine Ketten ich
will du Armer, dich befrein!
ROCCO
Was zauderst du
in deiner Pflicht?
LEONORE
Mein Vater, nein, ich zauderst nicht!
Ihr sollt ja nicht zu klagen haben,
la§t mich nur wieder KrŠfte haben,
denn mir wird keine Arbeit schwer.
LEONORE
Er erwacht!
ROCCO
Er erwacht, sagst du?
LEONORE
Ja, er hat eben den Kopf gehoben.
ROCCO
Ohne Zweifel wird er wieder
tausend Fragen an mich stellen.
Ich mu§ allein mit ihm reden.
LEONORE
Was in mir vorgeht,
ist unaussprechlich!
ROCCO
Nun, habt ihr wieder etwas geruht?
FLORESTAN
Geruht?
Wie fŠnde ich Ruhe?
LEONORE
Diese Stimme!
Wenn ich nur einen Augenblick
sein Gesicht sehen kšnnte.
FLORESTAN
Werdet ihr immer bei
meinen Fragen taub sein,
grausamer Mann?
LEONORE
Gott, er ist's!
ROCCO
Was verlangt Ihr denn von mir?
Ich vollziehe die Befehle,
die man mir gibt;
das ist mein Amt, meine Pflicht.
FLORESTAN
Sagt mir endlich einmal,
wer ist Gouverneur
dieses GefŠngnisses?
ROCCO
Jetzt kann ich ihm ja ohne
Gefahr genug tun.
Der Gouverneur dieses GefŠngnissen
ist Don Pizarro
FLORESTAN
Pizarro!
LEONORE
O Barbar !
Deine Grausamkeit gibt mir
meine KrŠfte wieder.
FLORESTAN
Wenn Ihr mir dienen wolltet,
so schickt sobald als mšglich
nach Sevilla,
fragt nach Leonore Florestan...
LEONORE
Gott, er ahnt nicht,
da§ sie jetzt sein Grab grŠbt.
FLORESTAN
Gebt ihr Nachricht,
da§ ich hier in Ketten liege.
ROCCO
Es ist unmšglich, sag ich euch.
Ich wŸrde mich ins Verderben stŸrzen,
ohne euch genŸtzt zu haben.
FLORESTAN
Wenn ich denn verdammt bin,
mein Leben zu enden,
la§t mich nicht langsam
verschmachten.
LEONORE
O Gott,
wer kann das ertragen?
FLORESTAN
Aus Barmherzigkeit,
gib mir nur einen Tropfen Wasser,
das ist ja so wenig.
ROCCO
Es geht mir wider meinen
Willen zu Herzen.
LEONORE
Er scheint sich zu erweichen.
FLORESTAN
Du gibst mir keine Antwort?
ROCCO
Ich kann euch nicht verschaffen,
was Ihr verlangt.
Alles was ich euch anbieten kann,
ist ein Restchen Wein,
das ich im Krug habe. Fidelio!
LEONORE
Da ist er! Da ist er!
FLORESTAN
Wer ist das?
ROCCO
Mein Schlie§er,
und in wenigen Tagen mein Eidam.
Es ist freilich nur wenig Wein,
aber ich geb ihn euch gern.
Du bist ja ganz in Bewegung, du?
LEONORE
Wer sollt es nicht sein?
ROCCO
Es ist wahr, der Mensch hat
so eine Stimme...
LEONORE
Jawohl, sie dringt in die
Tiefe des Herzens.
FLORESTAN
Euch werde Lohn in bessern Welten,
der Himmel,
der Himmel hat euch mir geschickt,
o Dank, ihr habt mich s٤ erquickt,
ich kann die Wohltat,
ich kann sie nicht vergelten.
ROCCO
Ich labt ihn gern, den armen Mann,
es ist ja bald um ihn getan.
Ich tu, was meine Pflicht gebeut,
doch ha§ ich Grausamkeit.
LEONORE
Wie heftig pochet dieses Herz,
es wogt in Freud und
scharfem Schmerz.
Die hehre, bange Stunde winkt,
die Tod mir oder Rettung bringt.
FLORESTAN
Bewegt seh ich den JŸngling hier,
und RŸhrung zeigt
auch dieser Mann, o Gott,
O Gott, du sendest Hoffnung mir,
da§ ich sie noch gewinnen kann.
LEONORE
Dies StŸcken Brot, ja,
seit zwei Tagen trag
ich es Immer schon bei mir.
ROCCO
Ich mšchte gern, doch sag ich dir,
das hie§e wirklich zu viel wagen.
LEONORE
Ach !
Ihr labtet gern den armen Mann.
ROCCO
Das geht nicht an.
LEONORE
Es ist ja bald um ihn getan.
ROCCO
So sei es, so sei's,
du kannst es wagen.
LEONORE
Da nimm, da nimm das Brot,
du armer, du armer Mann!
FLORESTAN
O Dank dir, Dank.
Euch werde Lohn in bessern Welten,
der Himmel, der Himmel
hat euch mir geschickt, o Dank,
ihr habt mich s٤ erquickt,
ich kann die Wohltat,
ich kann sie nicht vergelten.
LEONORE
Der Himmel schicke Rettung dir,
dann wird mir hoher Lohn gewŠhrt.
ROCCO
Mich rŸhrte oft dein Leiden hier,
doch Hilfe,
doch Hilfe war mir streng verwehrt.
LEONORE
Ihr labt ihn gern, den armen Mann!
FLORESTAN
O da§ ich euch nicht lohnen kann,
ODank ich kann
die Wohltat nicht vergelten,
O Dank!
LEONORE
O mehr, als ich ertragen kann,
du armer Mann.
ROCCO
Alles ist bereit; ich gehe,
das Signal zu geben.
LEONORE
O Gott,
gib mir Mut und StŠrke!
FLORESTAN
Wohin geht er?
Ist das der Vorbote meines Todes?
LEONORE
Nein, nein! Beruhige dich,
lieber Gefangner.
FLORESTAN
O meine Leonore!
So soll ich dich nie wieder sehen!
LEONORE
Mein ganzes Herz rei§t
mich zu ihm hin!
Sei ruhig, sag ich dir!
Vergi§ nicht,
was du auch hšren und sehen magst,
vergi§ nicht, da§ Ÿberall
eine Vorsehung ist...ja,
ja, es giebt eine Vorsehung!
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Acte 2 - Scène
3
PIZARRO
Ist alles bereit?
ROCCO
Ja, die Zisterne ucht
nur gešffnet zu werden.
PIZARRO
Gut,
der JŸngling soll sich entfernen.
ROCCO
Geh, entferne dich!
LEONORE
Wer?... Ich...? Und ihr?
ROCCO
Mu§ ich nicht dem
Gefangenen die Eisen abnehmen?
Geh, geh!
PIZARRO
Die mu§ ich mir heute noch
beide vom Halse schaffen,
damit alles auf immer
im dunkeln bleibt.
ROCCO
Soll ich ihm die Ketten abnehmen?
PIZARRO
Nein, aber schlie§e ihn
von dem Stein los.
Die Zeit ist dringend.
Er sterbe!
Doch er soll erst wissen,
wer ihm sein stolzes Herz zerfleischt
Der Rache Dunkel sei zerriss
sieh her, du hast mich
nicht getŠuscht!
Pizarro, den du stŸrzen wolltest,
Pizarro, den du fŸrchten solltest,
steht nun als RŠcher, hier!
FLORESTAN
Ein Mšrder steht vor mir!
PIZARRO
Noch einmal ruf ' ich dir,
was du getan zurŸck,
nur noch ein Augenblick,
und dieser Dolch...
LEONORE
ZurŸck!
FLORESTAN
O Gott!
ROCCO
Was soll?
LEONORE
Durchbohren, durchbohren
musst du erst diese Brust,
der Tod sei dir geschworen
fŸr deine Mšrderlust!
PIZARRO
Wahnsinniger!
Wahnsinniger!
Er soll bestrafet sein!
FLORESTAN
Ein Mšrder, ein Mšrder
steht vor mir.
ROCCO
Halt ein, halt ein!
Halt ein, halt doch ein!
LEONORE
Tšt erst sein Weib!
PIZARRO
Sein Weib?
ROCCO
Sein Weib?
FLORESTAN
Mein Weib?
LEONORE
Ja, sieh hier Leonore!
FLORESTAN
Leonore!
LEONORE
Ich bin sein Weib,
geschworen hab ich ihm Trost,
Verderben dir!
PIZARRO
Sein Weib?
ROCCO
Sein Weib?
FLORESTAN
Mein Weib?
LEONORE
Ich trotze seiner Wut!
Verderben ihm!
Der Tod, der Tod sei dir geschworen,
durchbohren mu§t
du erst diese Brust!
Noch einen Laut, und du bist tot!
FLORESTAN
Vor Freude starrt mein Blut!
PIZARRO
Welch' unerhšrter Mut!
welch unerhšrter Mut!
Ha, ha, soll ich vor
einem Weibe beben?
So opfr'ich, so opfr'ich
beide meinem Grimm;
geteilt hast du mit ihm das Leben,
so teile nun den Tod mit ihm!
ROCCO
Mir starrt vor Angst mein Blut!
LEONORE
Ach, du bist gerettet,
gro§er Gott!
FLORESTAN
Ach, ich bin gerettet, gro§er Gott!
PIZARRO
Ha! ha, der Minister,
Hšll' und Tod!
ROCCO
O, o was ist das,
gerechter Gott!
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Acte 2 - Scène
4
JAQUINO
Vater Rocco,
der Herr Minister kommt an,
sein Gefolge ist schon
vor dem Schlosstor.
ROCCO
Gelobt sei Gott!
Wir kommen, ja wir
kommen augenblicklich.
Und diese Leute mit Fackeln
sollen heruntersteigen und
den Herrn Gouverneur hinaufbegleiten.
LEONORE
Es schlŠgt der Rache Stunde,
du sollst gerettet sein!
Die Liebe wird im Bunde
mit Mute mich befrein.
FLORESTAN
Es schlŠgt der Rache Stunde,
ich soll gerettet sein!
Die Liebe wird im Bunde
mit Mute dich befrein.
PIZARRO
Verflucht sei diese Stunde,
die Heuchler spotten mein.
Verzweiflung wird im Bunde
mit meiner Rache sein!
ROCCO
O fŸrchterliche Stunde!
O, Gott, was wartet mein?
Ich will nicht mehr im Bunde
mit diesem WŸtrich sein.
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Acte 2 - Scène
5
FLORESTAN
Meine Leonore, was hast du
fŸr mich getan!
DŸrfen wir noch hoffen?
LEONORE
Wir dŸrfen es!
Die Ankunft des Ministers,
denn wir kennen,
Pizarros Verwirrung, und vor allem
Vater Roccos tršstende Zeichen
sind mir ebenso viele GrŸnde Rocco,
zu glauben, unser Leiden sei
am Ziel und die Zeit unsres
GlŸckes wolle beginnen.
FLORESTAN
Sprich, wie gelangtest du hierher?
LEONORE
Ich verlie§ Sevilla,
ich kam hierher zu Fu§,
in Manneskleidern,
der Kerkermeister
nahm mich in Dienste,
dein Verfolger selbst
machte mich zum Schlie§er.
FLORESTAN
Treues Weib ! Frau ohnegleichen!
Was hast du meinetwegen erdultet!
LEONORE
Nichts, mein Florestan!
Meine Seele war mit dir,
wie hŠtte der Kšrper
sich nicht stark gefŸhlt,
indem er fŸr sein besseres
Selbst stritt?
O, namenlose Freude!
Mein Mann an meiner Brust!
Nach unnennbarer Leiden,
so Ÿbergro§e Lust.
Du wieder nun in meinen Armen!
O Dank dir, Gott, fŸr diese Lust!
Mein Mann, mein Mann an meiner Brust!
Ich bin's!
Du bist's!
O himmlisches EntzŸcken!
Florestan! Florestan!
Florestan!
FLORESTAN
O, namenlose Freude!
An Leonorens Brust!
Nach unnennbarer Leiden
so Ÿbergro§e Lust.
O Gott, wie gro§ ist dein Erbarmen,
o Gott, wie gro§ ist dein Erbarmen!
O Dank dir, Gott, fŸr diese Lust!
Mein Weib, mein Weib
an meiner Brust! Du bist's!
O himmlisches EntzŸcken!
Ich bin's!
Leonore!
O Leonore!
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Acte 2 - Scène
6
ROCCO
Gute Botschaft,
ihr armen Leidenden.
Der Herr Minister hat eine Liste
aller Gefangenen mit sich,
alle sollen ihm vorgefŸhrt werden.
Jaquino šffnet die oberen
GefŠngnisse.
Ihr allein seid nicht erwŠhnt,
euer Aufenthalt hier ist eine
EigenmŠchtigkeit des Gouverneurs.
Kommt,
folget mir hinauf!
Auch ihr,
gnŠdige Frau!
Und gibt Gott meinem Worten Kraft
und lohnt er die Heldentat
der edelsten Gattin,
so werdet Ihr frei und euer
GlŸck ist mein Werk!
FLORESTAN
Leonore!
LEONORE
Durch welche Wunder?
ROCCO
Fort, zšgert nicht!
Oben werdet Ihr alles erfahren.
Auch diese Fesseln bleiben noch.
Gott gebe, da§ sie Euch
Mitleid erflehen
und dem Grausamen anglegt werden,
der Euch so viele Leiden bereitete.
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Acte 2 - Scène
7
VOLK
Heil, Heil, heil sei dem Tag,
Heil sei der Stunde,
die lang ersehnt, doch unvermeint,
Gerechtigkeit mit Huld im Bunde
vor unsres Grabes Tor erscheint!
FERNANDO
Des besten Kšnigs Wink
und Wille fŸhrt mich zu euch,
ihr Armen her,
da§ ich der Frevel
Nacht enthŸlle,
die all umfangen schwarz
und schwer.
Nicht, nicht lŠnger
kniet sklavisch nieder,
Tyrannenstrenge sei mir fern.
Es sucht der
Bruder seine BrŸder,
und kann er hellen,
Und kann er helfen
hilft er gern.
VOLK, GEFANGENER
Heil, sei dem Tag,
Heil sei der Stunde!
Heil!
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Acte 2 - Scène
8
ROCCO
Wohlan, so helfet,
helft den Armen !
PIZARRO
Was seh ich ?
Fort, fort!
FERNANDO
Nun rede!
ROCCO
Bewegt es dich?
All Erbarmen, All Erbarmen
vereine diesem Paare sich.
Don Florestan.
FERNANDO
Der Totgeglaubte,
der Edle,
der fŸr Wahrheit stritt ?
ROCCO
Und Qualen ohne
Zahl erlitt!
FERNANDO
Mein Freund, mein Freund,
der Totgeglaubte?
Gefesselt, gefesselt,
bleich steht er vor mir.
LEONORE, ROCCO
Ja, Florestan, Florestan,
ihr seht ihn hier.
ROCCO
Und Leonore,
FERNANDO
Leonore?
ROCCO
der Frauen Zierde fuhr' ich vor;
sie kam hierher...
PIZARRO
Zwei Worte sagen.
FERNANDO
Kein Wort!
Sie kam...
ROCCO
Dort an mein Tor, ...
und trat als Knecht in
meine Dienste,
und tat so brave, treue Dienste,
da§ ich zum Eidam sie erkor.
MARZELLINE
O weh mir, weh mir,
was vernimmt mein Ohr!
ROCCO
Der Unmensch wollt in
dieser Stunde vollziehn
an Florestan den Mord.
PIZARRO
Vollziehn mit ihm!
ROCCO
Mit uns im Bunde;
nur Euer Kommen, rief ihn fort,
nur euer Kommen rief ihn fort.
CHOR
Bestrafet sei der Bšsewicht
der Unschuld unterdrŸckt,
Gerechtigkeit hŠlt zum Gericht
der Rache Schwerte gezŸckt!
FERNANDO
Du schlossest auf
des Edlen Grab,
jetzt, jetzt nimm
ihm seine Ketten ab;
doch halt, euch,
edle Frau, allein,
euch ziemt es, ganz ihn zu befrein.
LEONORE
O Gott, o Gott, welch ein Augenblick
FLORESTAN
O unaussprechlich sŸ§es GlŸck!
FERNANDO
Gerecht, o Gott,
gerecht ist dein Gericht!
MARZELLINE
Du prŸfest,
du verlŠ§t uns nicht!
ROCCO
Du prŸfest,
du verlŠ§t uns nicht!
LEONORE, FLORESTAN,
FERNANDO, CHOR
O Gott, o welch ein Augenblick!
O unaussprechlich sŸ§es GlŸck!
Gerecht,
O Gott, gerecht
ist dein Gericht!
Du prŸfest, du verlŠ§t uns nicht!
CHOR
Wer ein holdes Weib errungen,
stimm in unsern Jubel ein,
nie, nie, nie wird es zu
hoch besungen.
hoch besungen.
Retterin, Retterin des Gatten sein.
FLORESTAN
Deine Treu erhielt mein Leben,
Tugend schreckt den Bšsewicht.
LEONORE
Liebe fŸhrte mein Bestreben,
wahre Liebe fŸrchtet nicht.
CHOR
Preist, preist mit hoher Freude Glut,
Leonorens edlen Mut.
FLORESTAN, CHOR
Wer ein holdes Weib errungen,
stimm in unsern Jubel ein,
nie, nie, nie wird es zu
hoch besungen.
Retterin, Retterin des Gatten sein.
LEONORE
Liebend, liebend ist es mir gelungen,
dich aus Ketten zu befrein, liebend,
liebend, liebend
sei es hoch besungen,
Florestan, wieder mein.
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